www.carsten.buschmann.de / Skripte / bwl1

8. Beschaffung

Abgrenzung von Beschaffung und Materialwirtschaft

Die Beschaffungsfunktion umfasst die Versorgung des Industriebetriebs mit Anlagen und Maschinen (Potentialfaktoren), sowie mit Werk-, Hilfs- und Betriebsstoffen (Repetierfaktoren), die zur Sachzielerfüllung notwendig sind. (Heinen)

In einer weiteren Fassung zählen noch die Beschaffung von Informationen, Personal, Recht (Lizenzen) und Finanzmitteln hinzu.

Vorraussetzung dafür ist die Verfügungsgewalt über diese Güter. Der Einkauf ist für die operative Umsetzung der Beschaffung in Bezug auf materielle Güter einschließlich Beschaffung von Markttransparenz, Bestellvorgang und Einkaufspolitik

 

Die Beschaffungsobjekte der Materialwirtschaft

a) Rohstoffe: Stoffe, die unmittelbar als wesentlicher Bestandteil in das Fertigprodukt eingehen

b) Hilfsstoffe: Stoffe, die zwar ebenfalls in das Fertigprodukt eingehen, die deren Funktion jedoch lediglich verstärken (z.B.: Farben, Lacke)

c) Betriebsstoffe: Stoffe, die nicht unmittelbar in das Fertigungsprodukt eingehen sondern im Fertigungsprozess verbraucht werden, bzw. diesen ermöglichen (z.B.: Energie Schmiermittel, Reinigungsmaterial, Büromaterial)

d) Halbfabrikate: Fremdbezogene Teile, die durch Montage in das Fertigprodukt eingehen (z.B.: Schrauben, Reifen)

e) Handelswaren: z.B. wie bei Eduscho oder Tchibo

 

Ziele der Beschaffung

Kostenminimierung Senkung der Beschaffungs-, Lagerhaltungs-, Zins- und Fehlmengenkosten
Qualitätssicherung Einhaltung von festgelegten Standards für die Lieferanten
Erhaltung der Liquidität niedrige Lagerbestände sparen Liquidität in Form von Opportunitätskosten
Sicherheitsstreben Auswahl der Lieferanten dahingehend, dass die Lieferung sichergestellt ist ( oder z.B. Sicherheitskäufe wegen schnell wechselnder Marktlagen)
Umweltorientierung Auswahl umweltfreundlicher Lieferanten, Berücksichtigung von Entsorgung usw.

Bedarfsarten

Primärbedarf: Bedarf an Fertigerzeugnissen und Ersatzteilen
Sekundärbedarf: Bedarf an Rohstoffen, Einzelteilen und Baugruppen (deterministische
Tertiärbedarf: Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen

Beschaffungsarten bzw. -zeitpunkte

fallweise Einzelbeschaffung: unmittelbarer Bedarf (z.B. für einen vorliegenden Auftrag) löst die Bestellung aus, somit wird eine Lagerhaltung weitgehend überflüssig, somit kaum Lagerkosten
fertigungssynchrone Beschaffung: insbesondere bei Betrieben mit Massenfertigung mit stetigem Fertigungsablauf wird die Beschaffung mengen- und zeitmäßig vollst. am Bedarf orientiert (s. auch Just in Time)
Vorratsbeschaffung: Lager übernimmt Synchronisationsfunktion, die strenge zeitliche Bindung von Beschaffung und Fertigungsablauf wird aufgehoben --> Lagerkosten

 

Single-Sourcing: es gibt nur einen Lieferanten für jedes Produkt. Dadurch entstehende Risiken sind z.B. Abhängigkeit, Anfälligkeit der eigenen Produktion gegen Streik oder Produktionsausfälle beim Zulieferer
Dual-/Multi-Sourcing es gibt zwei / mehrere Zulieferer für jedes Produkt
Modular-Sourcing Zulieferer liefert ganze Module oder Baugruppen

 

Beschaffungspolititsches Instrumentarium

I. Beschaffungsprogrammpolitik

Das Programm bestimmt den Bedarf nach Menge, Qualität und Zeitpunkt nach interner und externer Analyse. Das umfasst somit auch die qualitative Bedarfsplanung (Wertanalyse: z.B. Kunststoff ist genauso gut wie Metall, aber billiger) und ist Bestandteil des Total-Quality-Managements, d.h. der umfassenden Qualitätssicherung auf allen Produktions- und Unternehmensebenen

II. Beschaffungskonditionenpolitik

Sie bezieht sich auf die Bereitstellungskonditionen:

Preise sind im wesentlichen das Ergebnis von Verhandlungen:
aktive Preispolitik: Versuch der Einflussnahme die Preise eines bestimmten Anbieters (Lopez-Effekt)
passive Preispolitik: Auswahl des günstigsten Anbieters
Rabatte
Kreditgewährung Skontierung oder das Einräumen von  Zahlungszielen
Lieferbedingungen wer übernimmt Frachtkosten oder Zollabwicklung

III. Kommunikationspolitik

Beeinflussung von Kunden/Lieferanten z.B. durch Werbung oder Key-Account-Manager, um das gegenseitige Vertrauensverhältnis zu verbessern.

IV. Bezugspolitik

umfasst die

Beschaffungsmethode

und die

d.h. die Entscheidung über Beschaffungsorganisation (zentrale oder dezentrale Beschaffung), Beschaffungsweg (direkt vom Hersteller (billiger) oder über Zwischenhändler (größeres Sortiment) ) und Lieferantenstruktur (viele / wenige Lieferanten)
Beschaffungslogistik, die Bewegung und Lagerhaltung von zur Leistungserstellung benötigten Gütern. Kommt es bei der Lagerhaltung zu ..., entstehen Leerkosten.

 

Es gibt betriebseigene und betriebsfremde Beschaffungsformen:

Einkaufsgenossenschaften: Viele kleine Betriebe schließen sich zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammen, kaufen so größere Volumina ein, so daß sich Kostenvorteile ergeben
Handelsvertreter: eigenständige Ein- und Verkäufer
Kommissionsgeschäft

Kriterien der Lieferantenauswahl sind:

 

Bedarfsbestimmungsmethoden

 

stochastische Bestimmung: Sekundär- und Tertiärbedarf
Empirische Bestimmung, dabei sind z.B. saisonale Schwankungen zu berücksichtigen Primärbedarf
Deterministische Bestimmung mit Stücklisten: Sekundärbedarf
ABC-Methode siehe unten

Die ABC-Analyse

Man trägt die benötigten Güter in eine Tabelle ein...

und ordnet Ihnen nach "Verbrauch GE" einen Rang zu, und erstellt dann nach dieser Rangfolge eine neue Tabelle:

Man kann Ihnen dann die 3 Klassen A, B oder C zuordnen:

A-Güter: Güter mit hohem prozentualen Anteil am Periodenbedarfswert
B-Güter: Güter mit mittlerem prozentualen Anteil am Periodenbedarfswert
C-Güter: Güter mit niedrigem prozentualen Anteil am Periodenbedarfswert

Bei A-Gütern sollte man eine besonders sorgfältige Bedarfsanalyse durchführen, da hier die größten Einsparpotentiale liegen.

 

Lorenzkurve

Die Ergebnisse der ABC-Analyse lassen sich auch in der Lorenzkurve veranschaulichen:

Kostenvergleich Eigen- und Fremdbeschaffung

Eine weitere Fragestellung ist, ob man den Bedarf durch Eigenfertigung oder Fremdbeschaffung deckt. Dabei ist die Eigenfertigung meist aufgrund der Fixkosten Kf bis zu einer best. Menge xkrit teurer als die Fremdbeschaffung, danach dann günstiger:


Gründe für und gegen Fremdbeschaffung

Verlängerte Werkbank

Bei Auslagerung von Eigenfertigung hin zur Fremdbeschaffung erhält der Zulieferer die bisherige Inhouse-Fertigung incl. Maschinen, KnowHow etc.

 

Just in Time

Real-Time-Effekt

Produziert wird immer, was bestellt ist und Bestellungen werden ohne Zeitverzögerungen bedient.

Vorteile:

Unternehmen, die alle logistischen Probleme durch Lagerhaltung lösen wollen, binden erhebliche Mittel, die besser für Qualitätssteigerung und konkurrenzfähige Preisgestaltung eingesetzt werden können.

Gesamtkonzept von Just-in-Time

Ein Unternehmen muss ein logistisches Gesamtkonzept entwerfen, das Absatz, Produktion, Konstruktion, Entwicklung, Prozesstechnik und -steuerung sowie technischen Fortschritt und Materialbeschaffung als einheitliches Ganzes behandelt.

Das erfordert im einzelnen:

 

Lagerhaltung

Lager

Puffer zwischen den verschiedenen Produktivstufen im Unternehmen. Man unterscheidet

Funktionen des Lagers

Ausgleichsfunktion Puffer zwischen den verschiedenen Produktivstufen bzgl. Zeit und Menge
Sicherungsfunktion um die Produktion auch im Falle von Versorgungsengpässen (z.B. Streik) aufrechterhalten zu können
Spekulationsfunktion um bei niedrigen Preisen größere Mengen kaufen zu können

Ziele der Lagerdisposition

Minimierung von Raumkosten, Klimatisierungskosten, Kosten für Kapitalbindung, Bestellkosten und Instandhaltungskosten für die gelagerten Waren

Die optimale Bestellmenge

Aufgabe der Beschaffungsprogrammplanung ist die Ermittlung derjenigen Bestellmenge, bei der die Summe aus Beschaffungskosten und Lagerhaltungskosten, bezogen auf eine Mengeneinheit, ihr Minimum erreicht.

 

Lagerhaltungsmodell

Annahmen für das Lagerhaltungsmodell:

  1. Die Beschaffungsmenge (m) pro Planperiode (T) ist gegeben. Sie stimmt mit der Beschaffungsmenge überein. Diese soll in gleichbleibende Bestellungen (x0) aufgeteilt werden. Gleichbleibende Lagerabgangsraten werden unterstellt.
  2. Die fixen Kosten pro Bestellmenge sind bekannt und für alle Aufträge während der Planungsperiode gleich.
  3. Die Einstandspreise sind von der Bestellmenge und der Bestellzeit unabhängig.
  4. Die Lager- und Zinskosten ergeben sich als Produkt Lagerkostensatz, Einstandspreis, menge und Lagerzeit.
  5. Fehlmengen sind nicht erlaubt.

 

K: Gesamtkosten K = KB + KL mit KB = a + p x
k: Stückkosten
KB: Kosten je Bestellung
KL: Lagerkosten
und         KB
KL= ----- q t
         2
mit         i 
q = -----
     100
a: fixe Kosten
x: Bestellmenge
p: Einstandspreis
und       x
t = ----
      m
t: Zeitraum zwischen zwei Lagerzugängen
m: Bedarfsmenge während der Planperiode
i: Zinskostensatz
==>                       ( a + p x ) q x
K = a + p x + -----------------
                             2 m
| : x
==>        a            ( a + p x ) q
k = --- + p + ----------------
       x                   2 m
Für die Minima muß gelten: k'( x0 ) = 0  [ und k''( x0 ) > 0]
==> opt Lagermenge.gif (1089 Byte)

Beispiel:

Preis pro Mengeneinheit (P) 4,- DM
Bedarf pro Jahr (m) 1000 ME
Kosten pro Bestellung (KB) 3,- DM
Lagerkostensatz (q) 0,1 (10% des Lagerkapitals)

(Annahme: Konstanter Lagerabgang, keine Fehlmengen)

Problem: Die Stückzahl pro Bestellung mal der Anzahl der Bestellungen muß die insgesamt benötigte Menge ergeben!

 

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

 

weiterer Stoff aus früheren Vorlesungen*

Arten der Lager im Lauf des Güterstroms*

Lagerhaltungsmotive*

  1. Reservehaltung
  2. antizipative Güterbereitstellung
  3. saisonaler Ausgleich
  4. Spekulation


Entscheidungen im Rahmen der Beschaffungsplanung*

  1. Beschaffungs- bzw. Bestellmengen
  2. Bestellzeitpunkt
  3. Güterqualitäten
  4. Lagerhaltung
  5. Einsatz des beschaffungspolitischen Instrumentariums

Marketingpolitische Möglichkeiten der Beschaffung

  1. Beschaffungsorganisation
  2. Beschaffungsform
  3. Beschaffungsweg
  4. Lieferantenstruktur
  5. Preispolitik
  6. mittelbare Produktgestaltung

Beschaffungsplanung*

die Bedarfsvariablen:

  1. festgestellter oder geschätzter Bedarf
  2. zeitliche Verteilung während der Planungsperiode

die Kostenvariablen:

  1. Beschaffungskosten
  2. Lagerkosten
  3. Fehlmengenkosten

Die Gesamtkosten der Beschaffung*

Beschaffungszeit und Bestellrhythmus*

Unter Beschaffungszeit ist die Zeitspanne zu verstehen, die vom Entschluß zur Bestellung bis zur Verwendungsbereitschaft der Güter verstreicht. Sie umfaßt den Zeitraum von der

  1. Verbreitung über die
  2. Erteilung der Bestellung und den
  3. Eingang der Lieferung bis zur
  4. Wareneinlagerung

Beschaffungsmarketing*

Das Beschaffungsmarketing stellt den Inbegriff marktorientierten Entscheidungsverhaltens einer Unternehmung auf den Beschaffungsmärkten dar.

Entscheidung über geeignete Beschaffungsorganisation:

Zurück zum Inhaltsverzeichnis